Arbeitszeugnis richtig lesen: Entschlüsseln Sie alle Formulierungen!

Arbeitszeugnisse müssen klar und verständlich formuliert sein. Trotz dieser gesetzlichen Vorgabe hat sich in der Praxis ein Zeugniscode etabliert, dessen tatsächlicher Aussagegehalt nur schwer verständlich ist. Dabei wirkt das Arbeitszeugnis auf Arbeitnehmer oft besser als es tatsächlich der Fall ist. Wir erklären Ihnen, was wirklich hinter den Formulierungen in ihrem Arbeitszeugnis steckt.

1. Einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis – Was ist der Unterschied?

Es gibt zwei Arten von Arbeitszeugnissen: Das einfache und das qualifizierte Arbeitszeugnis. Der Unterschied zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Arbeitszeugnis liegt im Umfang und der Art der Informationen, die enthalten sind. So enthält ein qualifiziertes Arbeitszeugnis deutlich mehr Informationen und ist somit in künftigen Bewerbungsverfahren aussagekräftiger.

Einfaches Arbeitszeugnis

Der Arbeitgeber muss grundsätzlich zunächst nur ein einfaches Arbeitszeugnis ausstellen (§ 109 Abs. 1 S. 2 GewO). In diesem sind lediglich Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit erforderlich. Leistungs- oder verhaltensbezogene Aussagen sind in einem einfachen Arbeitszeugnis nicht vorgesehen. Für potenzielle Arbeitgeber hat ein einfaches Arbeitszeugnis folglich kaum Relevanz.

Tipp: Ein einfaches Arbeitszeugnis kann aus Arbeitnehmersicht ausnahmsweise von Vorteil sein, wenn Sie zurecht mit einer schlechten Leistungs- und Verhaltensbewertung rechnen müssen. In dem Fall kann ein einfaches Arbeitszeugnis weniger Schaden anrichten als die Vorlage eines schlechten qualifizierten Arbeitszeugnisses.

Qualifiziertes Arbeitszeugnis

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist demgegenüber deutlich hilfreicher.

Neben den Angaben zur Art und Dauer der Beschäftigung beinhaltet ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auch Bewertungen der Leistungen und des Verhaltens des Arbeitnehmers.

Als Arbeitnehmer haben Sie Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Der Arbeitgeber muss es allerdings nur auf Ihr Verlangen hin ausstellen (§ 109 Abs. 1 S. 3 GewO).

Ein gutes Arbeitszeugnis geht auf spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten ein und soll individuelle Stärken und Erfolge hervorheben. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis bietet somit ein umfassenderes Bild über die beruflichen Fähigkeiten und das Sozialverhalten eines Mitarbeiters und ist deshalb besonders wertvoll bei künftigen Bewerbungen.

Praxistipp: Nehmen Sie den Wunsch nach einem qualifizierten Arbeitszeugnis bereits mit in die Kündigung auf. So verhindern Sie von vornherein, dass der Arbeitgeber Ihnen nur ein einfaches Arbeitszeugnis ausstellt.

2. Wie sieht ein gutes Arbeitszeugnis aus? – Zeugniscode richtig verstehen

Arbeitszeugnisse sind für Arbeitnehmer in der Regel nur schwer zu interpretieren. Auf den ersten Blick ist ein schlechtes Arbeitszeugnis oft nicht zu erkennen. Deshalb sollten Sie Ihr Arbeitszeugnis auf Signalworte kontrollieren, um ihre Zeugnisnote richtig zu erkennen.

Beispiel: Die Formulierung „Herr Mustermann überzeugte als Mitarbeiter, der durchaus motiviert war.“ steht im Zeugniscode für eine mangelhafte Bewertung der Arbeitsmotivation. Arbeitnehmer dürfen sich nicht durch den vermeintlich positiven Ausdruck „überzeugen“ blenden lassen. Maßgeblich ist ein fehlendes Attribut zum Begriff „Mitarbeiter“. Auch die Formulierung „durchaus“ deutet an, dass der Mitarbeiter die meiste Zeit als unmotiviert wahrgenommen wurde.

Eine sehr gute Bewertung könnte demgegenüber wie folgt lauten: „Herr Mustermann überzeugte jederzeit als sehr dynamischer Mitarbeiter und durch seine stets engagierte und motivierte Arbeitsleistung.“ Gegenüber dem ersten Beispiel hebt sich das Arbeitszeugnis im zweiten Beispiel durch stärkende Adjektive und Attribute hervor, die durch ein „sehr“ oder „stets“ zusätzlich hervorgehoben werden.

Mit Hilfe der Signalwörter in der nachstehenden Tabelle können Sie Ihr Arbeitszeugnis entschlüsseln und sich einen ersten Überblick am Beispiel einer Leistungsbeurteilung verschaffen:

NoteFormulierung
Sehr gut„Herr Mustermann arbeitete stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“
Gut„Herr Mustermann arbeitete zu unserer vollsten Zufriedenheit“
Befriedigend„Herr Mustermann arbeitete zu unserer vollen Zufriedenheit“
Ausreichend„Herr Mustermann arbeitete zu unserer Zufriedenheit“
Mangelhaft„Herr Mustermann arbeitete im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“
Ungenügend„Herr Mustermann war stets bemüht“

Eine (sehr) gute Beurteilung zeichnet sich also meist durch positive Adjektive und Steigerungen bis hin zum Superlativ aus. Fehlen solche Zusätze in Ihrem Arbeitszeugnis, haben Sie wahrscheinlich keine sehr gute oder gute Bewertung erhalten. In dem Fall sollten Sie Ihr Arbeitszeugnis gründlich prüfen (lassen).

 

3. Wann hat ein Widerspruch gegen das Arbeitszeugnis Erfolgschancen?

Ein Widerspruch gegen die Bewertung des Arbeitgebers im Arbeitszeugnis lohnt sich zunächst immer dann, wenn das Arbeitszeugnis unvollständig oder falsch ist.

Fehlende Angaben zu Leistungen

Fehlen wichtige Angaben im Arbeitszeugnis, muss der Arbeitgeber eine Zeugnisergänzung vornehmen.

Beispiel: Arbeitnehmer A hat während seiner dreijährigen Tätigkeit in der X-Bau-GmbH für sechs Monate ein wichtiges Bauprojekt als Teamleiter mit Erfolg geleitet, obwohl er eigentlich auf einem niedrigeren Posten angestellt war. A hat einen Anspruch darauf, dass diese besondere Leistung im Arbeitszeugnis erwähnt wird.

Besondere oder wesentliche Tätigkeiten oder Zusatzleistungen sind im Arbeitszeugnis aufzuführen. Andernfalls ist das Arbeitszeugnis unvollständig.

Falsche Angaben und Schreibfehler

Auch bei Tipp- oder Schreibfehlern können Sie ein Zeugniskorrektur verlangen. Insbesondere bei langjährigen Tätigkeiten kommt es nicht selten vor, dass der Arbeitgeber (unabsichtlich) objektiv falsche Angaben im Arbeitszeugnis macht. Typische Fälle sind falsche Daten (z.B. zu einzelnen Leistungen) und Bezeichnungen (z.B. unrichtige Jobbezeichnung trotz Beförderung oder Rebranding des Postens.

Beispiel: Arbeitnehmerin A wurde als Bürokauffrau angestellt. Im Zuge der Internationalisierung des Unternehmens passten A und ihr Arbeitgeber ihre Berufsbezeichnung durch Änderung des Arbeitsvertrages in „Office Managerin“ an.

Im Beispiel hat A einen Anspruch auf die „moderne“ Jobbezeichnung.

Falsche Verhaltens- oder Leistungsbeurteilung

Der häufigste Fall ist die fehlerhafte Verhaltens- oder Leistungsbeurteilung durch den Arbeitgeber. Regelmäßig gehen die Vorstellungen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers hier auseinander. Das liegt nicht zuletzt auch häufig daran, dass sich der Arbeitgeber bei der Zeugniserstellung keine Mühe gibt, denn ein ausscheidender Mitarbeiter hat kaum einen Mehrwert für diesen. Oft greifen Arbeitgeber auch auf Muster oder Vorlagen von früheren Mitarbeitern zurück, die Ihre individuelle Leistung nicht widerspiegeln können.

Aus diesen Gründen können Arbeitszeugnisse in vielen Fällen nachträglich korrigiert werden.

4. Darf man die Abordnung verweigern?

Sind Sie mit Ihrem Arbeitszeugnis nicht einverstanden, können Sie dagegen vorgehen, wenn das Zeugnis nicht Ihren tatsächlichen Leistungen oder Ihrem Verhalten entspricht. Sie haben dann einen sogenannten Zeugnisberichtigungsanspruch. Wir erklären Ihnen, was Sie dafür tun müssen.

Schritt 1: Zeugnis prüfen lassen

Zunächst sollten Sie das Arbeitszeugnis durch einen Rechtsanwalt sorgfältig auf inhaltliche und formale Fehler überprüfen lassen. So können Sie sicherstellen, dass Sie jede versteckte negative Formulierung im Arbeitszeugnis finden und Sie am Ende auch wirklich ein gutes Arbeitszeugnis in den Händen halten.

Viele Formulierungen können anhand typischer Stichworte entschlüsselt werden. Arbeitszeugnisse enthalten jedoch regelmäßig auch neue oder abgewandelte Formulierungen, die meist nur mit Hilfe eines Experten für Arbeitsrecht richtig interpretiert werden können.

Erst wenn Sie alle Fehler im Arbeitszeugnis kennen, können Sie Ihren Widerspruch bestmöglich vorbereiten, denn hier sollten Sie jede Passage, die Sie beanstanden möchten, ausdrücklich aufführen.

Schritt 2: Bewertung nachvollziehen und widerlegen

Suchen Sie Argumente, die die schlechte Bewertung entkräften. Zum Beispiel gute Arbeitsleistungen, die durch frühere Beurteilungen oder Leistungsnachweise belegt werden können. Auch Arbeitskollegen, die Ihre Arbeitsweise und Erfolge bestätigen können, sind als Zeugen hilfreich.

Machen Sie sich zu diesen Punkten schon während des laufenden Arbeitsverhältnisses Gedanken. Sind Sie erst einmal aus dem Unternehmen ausgeschieden, haben Sie in der Regel keinen Zugriff mehr auf hilfreiche Unterlagen, die Sie für Ihre Argumentation benötigen.

Schritt 3: Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen

In vielen Fällen bietet es sich an, auf Grundlage der anwaltlichen Einschätzung und der eigenen Argumente zunächst das freundliche Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und um eine Korrektur des Arbeitszeugnisses zu bitten. Häufig sind Arbeitgeber hier gesprächsbereit, um einen Rechtsstreit um das Arbeitszeugnis zu vermeiden.

Der Arbeitgeber hat in vielen Fällen kein Interesse daran, Ihre berufliche Zukunft zu verbauen. Durch ein schlechtes Arbeitszeugnis hat er keine echten Vorteile. Häufig lassen Arbeitgeber daher bei kleineren Korrekturen mit sich reden.

Schritt 4: Zeugnisberichtigung fordern

Ist der Arbeitgeber nicht zu den gewünschten Korrekturen bereit, sollte er schriftlich zur Zeugniskorrektur aufgefordert werden. Nur so stellen Sie sicher, dass Sie im äußersten Fall erfolgreich vor Gericht gegen das Arbeitszeugnis vorgehen können.

Ist Ihr Begehren berechtigt, ist der Arbeitgeber zur Ausstellung eines neuen Zeugnisses verpflichtet. Eine Korrektur im alten Zeugnis müssen Sie nicht akzeptieren. Für einen Dritten darf also nicht erkennbar sein, dass das Zeugnis nachträglich verbessert wurde.

Achtung: Wer sein Arbeitszeugnis korrigieren lassen will, sollte zügig handeln, denn die Frist zur Zeugniskorrektur ist kurz. Zwar ist bislang keine höchstrichterliche Frist festgelegt, allerdings orientieren sich die Arbeitsgerichte bislang an einem Zeitraum von fünf (LAG Hessen) bis maximal fünfzehn Monaten (LAG Hamm).

Warten Sie zu lange, riskieren Sie also, dass Ihr Anspruch auf Zeugnisberichtigung verwirkt. Juristisch spricht man auch von unzulässiger Rechtsausübung. Aufgrund der unterschiedlichen Vorgehensweise der Arbeitsgerichte sollten Sie sich um das Arbeitszeugnis eher früher als später kümmern. Andernfalls riskieren Sie eine Verwirkung Ihres Zeugnisberichtigungsanspruches, wenn das für Sie zuständige Arbeitsgericht von einer kürzeren Frist ausgeht.

Arbeitnehmer brauchen vor einer Zeugnisberichtigung nicht zurückschrecken, denn der Arbeitgeber darf das Arbeitszeugnis nicht verschlechtern (Maßregelungsverbot, § 612a BGB). Er ist an die erste Bewertung insofern gebunden. Als Arbeitnehmer haben Sie folglich nur ein geringes Risiko (insb. Kosten), wenn sie das Arbeitszeugnis anfechten.

Beispiel: Arbeitgeber A hat mehrfach inhaltliche Korrekturen ihres Arbeitszeugnisses verlangt. Arbeitgeber B hat das Arbeitszeugnis zwar verbessert, im Gegenzug aber die positive Dankesformel aus dem ersten Arbeitszeugnis gestrichen.

„Wir danken Frau A für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg“

Obwohl Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine solche Dankes- und Grußformel haben, entschied das BAG, dass der Arbeitgeber an die erste Fassung gebunden ist (BAG Versäumnisurt. v. 6.6.2023 – 9 AZR 272/22).

Schritt 5: Klage auf Zeugnisberichtigung

Im äußersten Fall können Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Zeugnisberichtigung auch vor dem Arbeitsgericht einklagen. Die zu berichtigenden Passagen des Zeugnisses müssen in der Klage ausdrücklich bezeichnet werden. Die Formulierung von konkreten Alternativvorschlägen ist möglich, aber nicht zwingend. Sie können stattdessen auch ein neues Arbeitszeugnis einklagen. Dann überlassen Sie jedoch dem Arbeitgeber wiederum den Gestaltungsspielraum.

Wie Sie vorgehen, ist immer eine Frage des Einzelfalls. Grundsätzlich gilt: Lässt sich eine bessere Arbeitsleistung sicher beweisen, sind konkrete Alternativvorschläge sinnvoll. Verbleibt hingegen ein größeres Risiko, können eigene Formulierungen ein Prozesskostenrisiko darstellen, weil auch eine nur kleine Abweichung zu einem teilweisen Unterliegen im Prozess führt.

Als Arbeitnehmer tragen Sie die Darlegungs- und Beweislast, wenn Sie eine sehr gute oder gute Bewertung verlangen. Bei einem schlechten Arbeitszeugnis (ausreichend oder mangelhaft) trägt hingegen der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.

Das bedeutet grundsätzlich: Je schlechter das Zeugnis, desto geringer ist das Prozessrisiko, wenn die Beurteilung unrichtig ist.

Gerne beraten wir Sie, welches Vorgehen in Ihrem Fall sinnvoll ist.

5. Sonderfall: Aufhebungsvertrag und Vergleich

Chancen auf ein gutes Arbeitszeugnis haben Arbeitnehmer vor allem dann, wenn Sie auf Wunsch des Arbeitgebers aus dem Unternehmen ausscheiden. In der Praxis erfolgt der Ausstieg dann häufig durch einen sogenannten Aufhebungsvertrag oder mit Hilfe einer Abwicklungsvereinbarung. Als Arbeitnehmer können Sie in dieser Situation großen Einfluss ausüben, denn der Arbeitgeber muss Ihnen Anreize für den freiwilligen Ausstieg aus dem Unternehmen bieten. Neben der typischen Abfindung ist auch ein vom Arbeitnehmer vorbereitetes Arbeitszeugnis oder die Festlegung einer Mindestnote häufig Gegenstand einer solchen Vereinbarung.

Auch im Falle einer Arbeitgeberkündigung beziehungsweise im Rahmen eines Kündigungsschutzstreites können Sie noch Einfluss auf die Zeugnisgestaltung nehmen. Häufig ist das Arbeitszeugnis Gegenstand eines gerichtlichen Vergleichs im Rahmen einer Einigung im Kündigungsschutzprozess.

6. Fazit

  • Arbeitnehmer haben Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, das neben den Angaben zu Art und Dauer ihrer Tätigkeit eine Leistungs- und Verhaltensbewertung enthält.
  • Zeugnisse folgen einem bestimmten Code. Viele positive Attribute und Adjektive sprechen tendenziell für ein besseres Zeugnis.
  • Fehlende Angaben und offensichtliche Schreibfehler muss der Arbeitgeber in jedem Fall korrigieren.
  • Arbeitnehmer haben einen Zeugnisberichtigungsanspruch bei falscher Leistungs- oder Verhaltensbewertung.
  • Eine Zeugniskorrektur sollte zügig nach Ausscheiden aus dem Unternehmen verlangt werden. Andernfalls droht eine Verwirkung des Berichtigungsanspruches.
  • Konkrete Formulierungen oder eine Mindestnote können im Rahmen eines Aufhebungsvertrages oder eines Vergleichs vereinbart werden.